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Peter, du bist ehemaliger Laborleiter im Radlabor in Frankfurt, leidenschaftlicher Koch und unser Ernährungsexperte. Zum Thema Essen und Sport gibt es ja unzählige Empfehlungen aber auch Mythen, einer davon ist der des ‚Nüchterntrainings‘. Was fällt dir dazu ein?
Ganz grundsätzlich ist ‚Nüchterntraining‘ für Hobby- und Freizeitsportler nur bedingt zu empfehlen. Es beinhaltet positive Effekte, wie eine bessere Fettverbrennung, aber auch negative wie hohe körperliche und psychische Belastung. Bei sehr ambitionierten Sportlern und Profis, die solche Einheiten bewusst und als Bestandteil ihres Trainingsplans angehen, sieht das etwas anders aus. Es gibt Sportler die kommen damit zurecht, andere aber auch gar nicht. Man sollte immer auf seinen eigenen Körper hören und es erstmal unter bestimmten Faktoren (siehe unten) testen.
Was passiert denn genau, wenn man nüchtern trainiert?
Nüchtern hat der Körper einen geringen Blutzuckerspiegel, genauer weniger Glykogen. Wenn man nun trainiert kann der Körper nur auf sehr geringe Glykogenvorräte zurückgreifen und muss die Energiebereitstellung anders organisieren. Er wechselt dann in die Fettverbrennung und greift auf eingelagertes Fett zurück. Der positive Effekt ist, dass so bei mehrmaligem Nüchterntraining der Körperfettanteil gesenkt werden kann. Allerdings bedeutet das nicht, dass Training mit leerem Magen auch DER einzige Weg ist um Abzunehmen. Ein negativer Haupteffekt ist, dass man sich selbst ‚kasteit‘, denn angenehm ist Nüchterntraining nicht. Während der Fettverbrennung fühlt sich die Belastung härter und intensiver an. Der Spaß am Radfahren kann so verloren gehen. Rein leistungsgezogen hat nüchternes Training einen negativen Effekt, da der Körper mit weniger Zucker schneller zur Ermüdung kommt. Die sonst gewohnte Hausrunde in einem gewohnten Tempo kann somit zur Qual werden. Und das wiederum kann psychisch belastend sein. Grundsätzlich muss ich auch noch sagen, dass nüchternes Training für lange Einheiten nicht geeignet ist. Außerdem darf man es auf jeden Fall nicht jeden Tag durchführen, es empfiehlt sich maximal ein- bis zweimal in der Woche und auch nur in Trainingswochen in denen die Belastung und Umfänge gering sind, schon gar nicht in Wettkampfwochen.
Ist Nüchterntraining denn eine Option, wenn man abnehmen möchte?
Ja und nein, wie schon gesagt, kann es wegen der Fettverbrennung ein Element sein, allerdings nur wenn man daneben auch sonst sportlich unterwegs ist! Sport an sich ist einer der besten Wege um körperlich fitter zu werden und abzunehmen, man sollte ihn so betreiben, dass es auch Spaß macht. Nüchterntraining als Spaßbremse, sollte daher nur sehr dosiert angewendet werden. Lautet das Ziel Abnehmen, so empfiehlt es sich grundsätzlich auf seine Ernährung zu achten und eher über den Tag die Portionen der Nahrungsaufnahme reduzieren, aber trotzdem normal Sport zu machen. Das Frühstück ist als Mahlzeit mit am wichtigsten und trägt uns durch den Tag, hier sollte man nur ab und zu den Rotstift ansetzen. Wenn man eine nüchterne Einheit angehen möchte, muss man sich vorher bewusst sein, dass es unangenehm bis hin zur Qual werden kann. Dein Urteil? Nüchterntraining kann grenzbelastend für Körper und Geist sein, daher meine Empfehlung an alle Hobbysportler: Besser sein lassen und lieber mit Freude radeln! Ist man ambitioniert oder in (semi-)professionellen Bereichen unterwegs, kann es ein Trainingselement sein, dann aber bitte bewusst und dosiert angehen. Deine Tips, falls man es doch angehen möchte? Wer sich an das Nüchterntraining heranwagen möchte sollte eine gute Grundlagenausdauer mitbringen. Ein Richtwert können hier +/- 3.0 Watt/kg an der anaeroben Schwelle sein. Training mit leerem Magen bitte nur an lockeren Trainingstagen durchführen, bei denen der GA1 Bereich nicht überschritten wird und nur ein- bis zweimal in der Woche. Es empfiehlt sich das Training morgens anzugehen, wenn die letzte Mahlzeit ca. 12 Stunden zurückliegt. Nach dem Training sollte man die Energiespeicher mit einem ausgewogenen Essen wieder füllen.
Interviewpartner: Peter Schunke
Peter ist Sportwissenschaftler, Radlabor-Trainer und begeisterter Koch. In seiner Küche verschwimmen die kulinarischen Grenzen zwischen Hobby- und Profiküche. Als ehemaliger Laborleiter im Radlabor Frankfurt ist er weiterhin einer unserer Trainer und Experte für Ernährung und Sportlergerichte.